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Auf einem Hof der Amischen aufzuwachsen, schützt Kinder vor Allergien

Die Hygiene-Hypothese hat ein neues, nicht unbedeutendes „Mauersteinchen“ erhalten.
17. Oktober 2017

Die Hygiene-Hypothese hat ein neues, nicht unbedeutendes „Mauersteinchen“ erhalten. Eine Studie der Universität Chicago fand heraus, dass die Kinder der Amischen, einer zurückgezogen lebenden Glaubensgemeinschaft in Nordamerika, sehr viel seltener unter Allergien leiden. Ein interdisziplinäres Forschungsteam verglich die Häufigkeit von Allergien und Asthma bei den Amischen mit der in einer anderen täuferischen Glaubensgemeinschaft in Nordamerika, den Hutterern. Bestimmte Aspekte in der Umwelt-/Lebenswelt der Amischen sind mit Veränderungen bei Immunzellen verbunden, die die Kinder vor allergischen Erkrankungen zu schützen scheint, berichtet die Universität Chicago.

Die im New England Journal of Medicine veröffentliche Studie zeigt, Substanzen im Hausstaub der Amischen sind in der Lage, das angeborene Immunsystem so zu beeinflussen und zu formen, dass krankhafte Veränderungen der Immunantwort viel seltener entstehen. Nicht so bei den Hutterern, die wie die Amischen ebenfalls Landwirtschaft betreiben. Allerdings unterscheidet sich die Art und Weise, wie beide Glaubensgemeinschaften wirtschaften. Während die Amischen eine sehr traditionelle Landwirtschaft betreiben, ohne Traktoren und Maschinen, handelt es sich bei den Hutterern um eine industrielle Landwirtschaft. Andere Faktoren sind in beiden Gemeinschaften sehr ähnlich oder gleich: Beide stammen von Einwanderern aus Mitteleuropa ab, die im 18. und 19. Jahrhundert aus der Schweiz, Süddeutschland und Südtirol in die USA gekommen sind und haben ein ähnliches genetisches Profil. Sie teilen einen ähnlichen Lebensstil, haben keinen Fernseher, ernähren sich mit deutscher Landküche. Beide haben große Familien, lassen ihre Kinder impfen, stillen die Säuglinge, trinken Rohmilch und erlauben Haustieren nicht ins Haus zu kommen. Durch die unterschiedliche Art der Landwirtschaft jedoch kommen die Kinder der Hutterer auf den großen industriellen Gemeinschaftsfarmen, viel weniger/kaum mit der Tierhaltung in Kontakt. Die Amischen Kinder dagegen halten sich täglich in Stall und Scheune auf. Und auch der Hausstaub unterschied sich bei den beiden Glaubensgemeinschaften. Keine von beiden hatte schmutzige Häuser, betonen die Forscher um Humangenetikerin Prof. Carole Ober und Immunologin Anne Sperling von der Uni Chicago. Beide, Amische wie Hutterer, sind ordentlich. Was sich aber unterschied, war die Zusammensetzung des Hausstaubs. Der der Amische war viel reicher an mikrobiellen Substanzen.

Die Forscher vermuten darin die Ursache für zwei auffallende Unterschiede: Die Kinder der Amischen hatten mehr und jüngere Neutrophile, Immunzellen im Blut, die Infektionen bekämpfen und weniger Eosinophile, Blutzellen, die allergische Entzündungen fördern. Die Asthmarate bei den Amischen Schulkindern (6-14 Jahre) lag bei fünf Prozent, und damit nur halb so hoch wie im US-Durchschnitt mit 10,3 Prozent und nur ein Viertel so hoch wie bei den Kindern der Hutterer mit 21,3 Prozent. Die Entwicklung des angeborenen Immunsystems, so die Forscher, spielt bei all dem die entscheidende und steuernde Rolle. Die Forscher hoffen nun Substanzen zu entdecken, die zu völlig neuen Strategien führen, Allergien und Asthma vorzubeugen. Und mit einem Augenzwinkern: Man könne natürlich nicht jeder Familie eine Kuh ins Wohnzimmer stellen.

Quelle:
Redaktion hautstadt; “Innate Immunity and Asthma Risk in Amish and Hutterite Farm Children”, Michelle M. Stein, B.S. Carole Ober, Anne I. Sperling et al., N Engl J Med 2016, 375: 411-421,DOI: 10.1056/NEJMoa1508749